Neues im Mai 2022 | Unfälle mit Nutztieren

Thema HAFTUNG:

Unfall mit Nutztieren – und die Frage nach der Haftung für Schäden am Fahrzeug

Immer wieder kommt es vor, dass Tiere ihre Weide verlassen, z. B. weil sie bei einer Wolfsattacke in Panik geraten und ausbrechen. Kollidiert das Tier mit einem Fahrzeug, stellt sich die Frage nach der Haftung. APT machen Sie nachfolgend mit den Spielregeln vertraut.

Privilegierte und nicht privilegierte Tierhalterhaftung

Eines vorweg: Die Frage der Tierhalterhaftung zu beurteilen ist eindeutig Anwaltssache. Denn sie ist nicht einheitlich für alle Tiere zu sehen.
Bei der Tierhalterhaftung ist zwischen Nutztier und Vergnügungs-/Luxustier zu unterscheiden:

Halter von Nutztieren sind gesetzlich besser gestellt …

  • Halter von Nutztieren sind gesetzlich privilegiert. § 833 S. 1 BGB bestimmt, dass der Tierhalter für durch das Tier angerichtete Schäden haftet. Satz 2 dieses Paragraphen schränkt das aber ein für Haustiere (gemeint sind zahme Tiere, auch solche die nicht im Haus, sondern im Stall leben), die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dienen. Dann haftet der Tierhalter nur, wenn er die Tiere ungenügend beaufsichtigt hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung genügender Sorgfalt passiert wäre. Das Verschulden wird vermutet, der Tierhalter muss sich entlasten.

… als die Halter von „Vergnügungstieren“

  • Bei Tieren, die zum Vergnügen gehalten werden, haftet der Tierhalter immer auf der Grundlage der sog. Tiergefahr, die der Betriebsgefahr eines Autos nicht unähnlich ist: Etwas Gefährliches überhaupt zu nutzen, führt in die verschuldensunabhängige Haftung.

Der Unterschied in der Haftung bei Nutztier oder Vergnügungstier basiert auf dem Gedanken, dass der Berufsstand, der die Ernährung der Bevölkerung sichert, die Risiken tragen können muss.

Rinder und Kühe sind in aller Regel Nutztiere

Der Zaun als Zünglein an der Haftungswaage
Kühe werden wohl ausnahmslos den Tieren zugerechnet, die der Erwerbstätigkeit des Halters dienen. Der Tierhalter haftet also nur, wenn er etwas falsch gemacht hat. Es gibt anerkannte Regeln, wie Zäune für welche Tiere gebaut sein müssen. Ggf. genügt sogar ein Elektrozaun. Der Zaun muss ausreichend oft kontrolliert werden, in der Regel täglich. Weidetore (das sind die häufigsten Schwachstellen, oft sind das nur Improvisationen) müssen jedenfalls in der Nähe von Durchgangsstraßen abgeschlossen sein. Entspricht der Zaun den Regeln, ist das eine ausreichende Beaufsichtigung. Insgesamt werden da aber hohe Anforderungen gestellt (OLG Hamm, Beschluss vom 27.09.2006, Az. 9 W 45/05, Abruf-Nr. 061802). Ein Hirte muss nicht anwesend sein.

Tierhalter muss ordnungsgemäße Sicherung beweisen
Ist das Tier dann trotz ausreichender Sicherungen auf der Straße, haftet der Halter nicht. Haben z. B. „böse Buben“ zwischen zwei Kontrollen den Zaun beschädigt oder hat eine Paniksituation, ausgelöst wie jüngst etwa durch Wölfe auf der Weide, die Kühe dazu gebracht, den ordnungsgemäßen Zaun (einen auch in der Situation panik- und ausbruchsicheren Zaun kann es kaum geben) zu durchbrechen, bleibt der Geschädigte auf seinem Schaden sitzen, wenn er nicht auf seine Kaskoversicherung zurückgreifen kann. Die Beweislast für die ordnungsgemäße Sicherung hat aber der Tierhalter.

Für die Tierhalterhaftung muss es nicht zur Kollision kommen. Es reicht, dass beim Ausweichen ein Schaden entsteht. In dem Fall können sich allerdings Beweisprobleme ergeben.

Auch nicht ganz selten: Pferde auf der Straße
Hat man es mit einem Pferd zu tun, ist die Vorfrage: Nutz- oder Hobbypferd?

Diese Pferde sind als Nutzpferde privilegiert

  • Schulpferde einer Reitschule, Zuchttiere eines professionellen Züchters, Sportpferde von Berufsreitern, Polizeipferde – alles das sind „Berufs- oder Erwerbspferde“. Ein solcher Unfall unterfällt den gleichen Regeln, wie der oben beschriebene Unfall mit der Kuh.
  • Bei Hobbypferden haftet der Halter ohne die Privilegien. Die Haftung beruht dann nicht auf Verschulden, sondern auf der Gefahr durch die generelle Unberechenbarkeit von Tieren.

Hunde
Bei Unfällen mit Hunden ist wie folgt zu differenzieren:

Bei Nutzhund: Beaufsichtigungsfehler – ja oder nein

  • Der Hund des Försters oder Berufsjägers, der Hütehund des Schäfers, der Wachhund von Sicherheitspersonal oder von Betrieben – alles das sind Beispiele für Nutzhunde. Der Blindenhund ist ein Hund, der dem Unterhalt des Tierhalters dient. Für diese Gruppe von Hunden gilt: Nur, wenn dem Tierhalter ein Beaufsichtigungsfehler zur Last fällt, haftet er. Das wird häufig der Fall sein. „Der ist noch nie auf die Straße gelaufen“ genügt wohl kaum, wenn der Weg auf die Straße nicht durch einen geeigneten Zaun versperrt war. Denn es geht ja um die generelle Unberechenbarkeit des Tieres.

Auch der Jagdhund der Hobbyjägers ist ein „Hund zum Vergnügen“

  • Ist der Hund ein Hund zum Vergnügen, dann greift die Gefährdungshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit. Auch der Jagdhund des Hobbyjägers ist dieser Gruppe zuzuordnen. Mag der Hobbyjäger das erlegte Wild auch essen, so dient der Hund dennoch nicht dem Unterhalt.

Mitverschuldensfrage des Autofahrers

Mitverschulden des Fahrers hängt von konkreter Unfallsituation ab
Eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Regulierung von Tierunfallschäden ist das potenzielle Mitverschulden des Autofahrers. Denn die Geschwindigkeit muss stets so angepasst sein, dass vor einem Hindernis angehalten werden kann. Auch vor einem Tier auf der Straße. So kommt es auf viele Einzelfragen an, wie z. B.: War das Tier schon länger auf der Straße oder sprang er quasi vor das Auto? Ist das Tier gegen das schon stehende Auto gelaufen?